Zahl des Quartals (01/2023)
Knapp 2 Prozent der Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe I wiederholten 2021/22 eine Klasse.
Klassenwiederholungen gelten als fester Bestandteil der Schulsysteme fast aller Bundesländer: Mit der Klassenwiederholung ist die Hoffnung verbunden, dass die Schülerinnen und Schüler deutliche Lernrückstände aufholen können.
In Wiesbaden wiederholten 2021/22 knapp zwei Prozent der Schüler*innen eine Klasse in den Jahrgangsstufen 5 bis 10. Das sind insgesamt 330 Schüler*innen. Die meisten Wiederholungen entfallen auf Hauptschüler*innen: Hier sind insgesamt 7,3 Prozent der Schüler*innen „sitzen geblieben“. Dies ist auch als Folge der Corona-Pandemie zu sehen. Ein Jahr zuvor ging die Quote der Wiederholer*innen aufgrund veränderter Versetzungsregelungen noch deutlich zurück. 2021/22 bestand die Gruppe der Nicht-Versetzten in hohem Maße aus Schüler*innen, die freiwillig ein Schuljahr wiederholten. Gründe dafür waren die herausfordernden Lernbedingungen während der Pandemie in Form von Schulschließungen, Wechsel- und Distanzunterricht.
Im allgemeinen Verständnis werden zwei Funktionen an Klassenwiederholungen geknüpft: Auf der einen Seite soll Schüler*innen die Möglichkeit gegeben werden, Leistungsdefizite in einer neuen Lernumgebung zu reduzieren. Zum anderen würden die verbliebenen Schüler*innen von homogeneren Lerngruppen profitieren.
Die empirische Schulforschung kommt laut Bildungsforscher Prof. Dr. Klemm aber zu einem anderen eindeutigen Ergebnis: „Klassenwiederholungen führen weder bei den sitzengebliebenen Schülerinnen und Schülern zu einer Verbesserung ihrer kognitiven Entwicklung, noch profitieren die im ursprünglichen Klassenverband verbliebenen Schülerinnen und Schüler von diesem Instrument. Dies belegen alle verfügbaren und bei einer methodenkritischen Überprüfung belastbaren empirischen Studien. Klassenwiederholungen sind daher als unwirksame Maßnahme in den deutschen Schulsystemen anzusehen“ (vgl. Klemm 2009: 5). Auch die jährlichen Bildungsausgaben, die aus Klassenwiederholungen resultieren, sind laut Klemm nicht zu unterschätzen.
Er plädiert aus diesem Grund stattdessen für eine individuelle Förderung, die „jedes Kind mit seinem Wissensstand und Lernpotenzial zum Ausgangspunkt allen Handelns in der Schule macht“ (ebd.: 3).
Anteil der Wiederholungen nach Schulform (Wiesbaden; in Prozent), siehe auch C10 - Wiederholungen in der Sekundarstufe I